Submitted by landreu on 13. September 2015 - 23:57
Der Großteil des Tages geht für Besorgungen drauf und mit der Verdauung des feucht-fröhlichen Zieleinlaufs des Abends zuvor. Neun Kilometer sind es zum Friedhof, Pauli hat leider nach 50 m schon wieder einen Platten.
Ich fahre also alleine zum Treffpunkt mit Onurs Verwandten, auf der Karte eine kerzengerade Route für Fußgänger. In der Realität liegen leider ein paar Gleise dazwischen und eine spinnende Karten-App.
Wir sind auf den Champs Elysées, würde ein Fahrer auf der Tour de France sagen. Wir sind so nah am Ziel, keiner kann uns den Sieg mehr nehmen!
Am Morgen geht es über eine herrliche Küstenstraße - so schön, dass wir sie gleich zweimal nehmen, weil's die falsche war.
Dann wieder heizen über die Standspur der türkischen Bundes-Mofa-Fuhrwerk-Autobahnen, es läuft wie geschmiert.
Submitted by landreu on 11. September 2015 - 21:07
Ein reichhaltiges Supermarkt-Frühstück auf der Strandterasse unseres 18-Euro-Motels, dann geht es wieder auf die Piste. 35 Grad und kein Schatten.
Lichtblick der Fahrt ist der Minimarkt, der das zum Genuss von Zitronenlimoade notwendige sogenannte Bier führt. Vielleicht fahren die Türken so wenig Fahrrad, weil sie nicht wissen, wie sie unterwegs ihren Elektrolyt-Haushalt ausgleichen sollen.
Submitted by landreu on 10. September 2015 - 22:02
Dreißig Kilometer südlich von Canakkale liegen diese zehn Schichten alter Steine schon. Ob es wirklich das Troja aus Homers Ilias ist, weiß ich nicht; jedenfalls glaubten es Schliemann und die hellenischen Siedler seit vorchristlicher Zeit. Vom höchsten Punkt der Stadt aus sehen wir auch, dass wir genau auf dem Hügel stehen, der dem südlichen Ende der Dardanellen-Meerenge am nächsten ist - eine durchaus plausible strategische Lage. Leider gibt es keine Malereien und fast keine Inschriften. Wieviel haben die nördlichen Mächte wohl bei den Ausgrabungen gestohlen oder verkauft?
Wir "tanken uns raus" aus dem engen Kesan, nehmen den ersten hohen Berg und werden hier schon mit einem majestätischen Anblick belohnt: Vor uns liegt die Gallipoli-Halbinsel, rechts davon das Mittelmeer, links die Dardanellen und dahinter noch Anatolien. Trotz heftigen Gegenwinds bringt mich die Abfahrt auf 69 km/h - nur den Lenker gut festhalten und genießen.
Zunächst mal das Wichtigste: Wir sind's. Die Betonhintern. Die Mittelhand-Albinos. Die Klickpedal-Mafia. Die Helden der Kreisstraße. Wir sind bis in die Türkei geradelt!!!
Das heutige Bild gebührt aber trotzdem Ivan aus der Ukraine. Wir haben ihn beim Start in Orestiada aufgegabelt, da war der Typ schon 20 km geradelt, vor dem Frühstück. Wir bügeln zusammen mit einem Affenzahn 70 km durch die Hügel Richtung Meer. Er hat 40 kg Gepäck dabei und überholt mich trotzdem noch auf den längeren Anstiegen.
Von den USA nach Mexico kann das wohl ähnlich sein.
35 Grad, kein Schatten, verlassene Läden auf der alten Straße.
Alle 20 Kilometer eine Tankstelle, davor sitzen sie und starren in die Ferne. Alle fünf Minuten fällt ein Wort.
Wir fressen Kilometer auf dem Weg zum Mittelmeer. Pauli mag da anderer Meinung sein, aber für mich ist das seit dem Balkangebirge eine einzige entspannte Abfahrt ;-)
Nach130 Kilometern sind wir am Nachmittag in Orestiada in Griechenland, der Ort ist wie ausgestorben.
Kurz ist die Europäische Fernstraße 80 nicht, aber stark befahren. Die Eröffnung der parallelen Autobahn ist für diesen Monat erst geplant, Pech.
Dafür lassen sich hier Kilometer fressen. Am frühen Nachmittag schon haben wir 100 geschafft und biegen in die Hügel zu den Mineralbädern ab.
Ob Placebo-Effekt oder nicht, nach 15 Minuten in dem 35 Grad warmen Heilwasser fühlen wir uns gleich besser.
Gerade sitzen wir beim Türken beim Abendessen, morgen geht's aber erst einmal ein bis zwei Tage nach Griechenland.
Frisch sollten wir heute sein, die Reifen dick aufgepumpt, damit es rollt die 140 km von Sofia bis nach Plovdiv. Leider lässt uns Sofia auch verkehrstechnisch nicht so schnell los. Bis fast zum Mittag fahren wir Umwege um die Magistrale, um endlich auf die parallele Nebenstraße nach Plovdiv zu kommen.
Endlich Ruhe, dafür wieder gewohnt hügelig und beliebig schlechter Asphalt. Auf 15 km ist die Straße immer wieder an so willkürlichen Stellen aufgefräst, dass es einige Computerspiele inspiriert haben könnte.
Schwer liegt die Hitze über der Stadt.
Schwer wiegen die berggeplagten Radlwadln.
Schwer sind die 17 Treppenstufen durch die U-Bahn-Unterführung.
Schwer sind die 500 g Eis, die in Bulgarien schon aus 2 Kugeln entstehen.
Den ganzen Tag sitzen wir im Zentrum oder im Hotelzimmer herum.
Gegen Abend machen wir die Free Walking Tour mit einem sehr engagierten Studenten. Er erklärt uns die bewegte Geschichte Sofias zwischen Orient und Okzident, führt uns vorbei an einer Kirche, bei der noch das Dach aus der Zeit vor Kaiser Konstantin erhalten sein soll.